Tjalk Marie / Falshöft

54° 50,00’N und 010° 07,00’E

Bisher waren keinerlei Unterlagen oder Fotos von der Herkunft des ehemaligen Schiffes oder vom Hergang des Untergang bekannt. Es war weder der Name noch der Tag oder der Kollisionsgegner bekannt.
Die Vorgänge um das Wrack waren auch den Behörden seltsamerweise unbekannt.
Man kennt nur die Position, aber warum und seit wann es dort liegt, war offiziell nicht bekannt.

Eine typische Tjakl

Eine typische Tjakl

DAS HAT SICH NUN , DANK ROCCO HANERT,  GEÄNDERT.

Rocco hat Unterlagen gefunden, die über das Schiff, den Kollisionsgegner und über den Hergang des Untergangs Auskunft geben.

Er hat einen Bericht verfasst den wir hier, mit seiner freundlichen Genehmigung, veröffentlichen dürfen.

Das Wrack ohne Geschichte

Schon seit vielen Jahren ist die Position des Wracks bekannt und schon viele Taucher habe dieses schöne Wrack besucht. Aufgrund der Lage im nordwestlichen Teil der Kieler Bucht (Ostsee), ca. 4 sm  querab der Ortschaft Falshöft wird das Schiff seit Jahren einfach nur „Tjalk Falshöft“ genannt.

Das Wrack ist eine motorbetriebene ca. 25 m lange Eisentjalk die aufrecht auf ebenen Kiel steht. Sie ist sehr gut erhalten und zumeist ist die Sicht, an diesem Platz sehr gut. Die Wassertiefe beträgt 24m und das Wrack ragt ca. 5 m auf. Noch immer ist am Bug, auf Stb-Seite, eine markante Beule mit langen Riss im Vorschiff, vermutlich als Folge einer Kollision, sichtbar. Trotz der offensichtlichen Kollision, ist bisher nichts über das Wrack bekannt gewesen, weder vom Schiff selber, noch vom Kollisionsgegner.

Aber gehen wir zurück ins Jahr 1933:

Am Sonntag, den 26.02.1933 begann der Motorsegler „Marie“ unter dem Kommando von Kapitän Gustav Nagel aus Krautsand seine Reise von Aalborg (Dänemark) nach Hamburg. Die Ladung bestand aus 130 t Zement. Die Reise führte durch das Kattegat durch den kleinen Belt bis in die Kieler Bucht. Bis auf einige sturmbedingte Liegezeiten an geschützten Ankerplätzen verlief die Reise bis in den südlichen kleinen Belt ereignislos. Am Morgen des 5. März zog dichter Nebel auf und die „Marie“ fuhr bei leichten Süd-West Wind vom Belt in die Kieler Bucht.

Tjalk in voller Fahrt

Tjalk in voller Fahrt

Da die Sicht sich im Laufe des Vormittages leicht verbesserte, stellte der Kapitän das geben von Nebelsignalen ein und übergab die Wache an seinen Matrosen Wilhelm Blohm. Als Kapitän Nagel unter Deck ging und die Karte studierte um den Schiffsstandort zu ermitteln, bemerkte er, wie sein Matrose am Ruder sehr unruhig wurde. Schnell enterte er an Deck und sah ein Schiff direkt auf Gegenkurs. Wie sich später herausstellte, war dies der Motorsegler „Merkur“ auf der Reise von Hamburg nach Lemwig mit einer Ladung Mais. Das auskuppeln der Maschine und die „Hart“ Ruderlage brachten nichts mehr und beide Schiffe krachten ineinander. Sofort strömte Wasser in den Laderaum der „Marie“. Beide Männer versuchten noch das Leck zu dichten, da dies aber aussichtslos war, wurden nur noch einige wenige Sachen geborgen und die „Marie“ sank kopfüber in die Tiefe. Der Großmast der „Marie“ krachte beim Untergang auf die „Merkur“ und brach. Mittlerweile befanden sich nahe der Unfallstelle zwei andere Schiffe, die „Erna“ und die MS „Wohlfart“. Mit Hilfe des Rettungsbootes gelangten Kapitän Nagel und Matrose Blohm zur MS „Wohlfart“. Das Leck auf der „Merkur“ konnte mit Hilfe der Besatzung der „Erna“ notdürftig abdichtet werden und unter ständigen Lenzen konnte sich das beschädigte Schiff in Begleitung der „Erna“ und der „Wohlfart“ nach Holtenau retten. Die Ursache für den Unfall war wohl, dass der Kapitän trotz der schlechten Sicht (Nebel) das geben von Nebelsignalen eingestellt hatte.

Bei einem winterlichen Besuch im Landesarchiv Schleswig stöberte ich mit dem Ziel Informationen über Seeunfälle in deutschen Gewässern zu bekommen in alten Seeamtsakten. Diese Art der Recherche eignet sich gut, um Informationen zu schon gefunden und nicht identifizierten Wracks bzw. zu noch nicht aufgespürten Schiffen zu bekommen. Dabei stolperte ich über eine Akte des Preußischen Seeamtes Flensburg aus dem Jahre 1933. In dieser Akte befanden sich Berichte mehrerer Kapitäne in denen eine Kollision zwischen dem Motorsegler „Marie“ und dem Motorsegler „Merkur“ in der Nähe der Schleimündung beschrieben wurde. In der Folge der Kollision sank ein Schiff mit dem Namen „Marie“. In einer Skizze die in der der Akte war wurde deutlich dass, der Kollisionsschaden der „Marie“ mit dem Schaden der „Tjalk Falshöft“ in Position und Lage gut übereinstimmte. Auch die Schiffsgröße und das Seegebiet in dem sich der Unfall ereignete passt zur „Marie“. Schiffsbilder oder eine Beschreibung genauerer Schiffsmerkmale zur Identifikation gab es in der Akte leider nicht. Lediglich die Größe der Laderäume mit ca. 49 Netto Register Tonnen (entspricht ca. 140m³) wird angegeben.

Sidescanaufnahme der Tjalk Marie

Sidescanaufnahme der Tjalk Marie

Also musste die Ladung als viertes Indiz zur Identifikation herhalten. Laut des Reiseberichtes sollte die „Marie“ zum Zeitpunkt des Unterganges ca. 130 t Zement an Bord gehabt haben. Aus meiner Erinnerung gab es in den Laderäumen der Tjalk nur Schlamm. Auch die Befragung von anderen Tauchern im Forum brachte keine Erkenntnisse über die Ladung. Also fuhren Jörn und ich, Ende Juni 2014 zu dem Wrack, um uns nochmals genauer die Laderäume anzuschauen. Und tatsächlich fanden wir in den vorderen Laderäumen, unter einer dünnen Schlammschicht eindeutig Zement.

Damit gibt es folgende Übereinstimmungen zwischen der „Tjalk Falshöft“ und der „Marie“:
– Ladung Zement
– Schiffstyp Motorsegler
– Kollisionsschaden am Bug auf Stb-Seite
– Seegebiet vor Schleimünde (außerdem passt die Angabe der Fahrzeit von der Untergangsposition nach Holtenau mit einer Geschwindigkeit von 4 kn)

Fazit: Bei der Tjalk Falshöft handelt es sich, mit fast 100% er Sicherheit, um den am Sonntag, den 05. März 1933 gesunkenen Motorsegler „Marie“, unter dem Kommando von Kapitän Nagel.

Viele Grüße Rocco

soweit der Bericht von Rocco.

Der Schiffstyp Tjalk

Der in den Niederlanden am weitesten verbreitete Watten -, Binnen- und Küstenfrachter. Auch in Ostfriesland und Oldenburg wurde dieser Schiffstyp gebaut, und war in allen Flachwassergebieten der Nord- und Ostsee im Gebrauch.

Auch ähnliche Typen wie Beurtschip, Mutte, Otter, Pleit, Poon und Skutsje werden oft als Tjalk bezeichnet. Abwandlungen sind die Hecktjalk und die Kufftjalk. Das Wort Tjalk taucht in Holland schon im 17. Jahrhundert auf. Der Schiffstyp entstand im 18. Jahrhundert.
Tjalken sind im Schnitt 14 bis 25 m lang, sehr breit und niederig und haben einen sehr geringen Tiefgang. Der Rumpf ist ganz auf Tragfähigkeit ausgelegt, mit einem kiellosen, platten Boden, der fast bis an die Schiffsenden die volle Breite behält und annähernd ebenso breit ist wie der ganze Rumpf. Die Kimm ist in kleinem Bogen gerundet, die Seitenwände sind gerade und senkrecht über dem auffallend starken Bergholz eingezogen.

Der Bug ist sehr breit, sowohl unten als auch über dem Bergholz eingezogen und daher sehr rund. Der große Steven ist etwas gebogen und leicht fallend.
Auch das Heck ist breit und rund über dem Bergholz eingezogen und auch unter Wasser nicht spitz zulaufend, wie z.B. bei der Kuff und allen anderen tiefgehenden Schiffen, sondern löffelförmig gerundet; daher ist vor den geraden, leicht fallenden Achtersteven ein großes Totholz gesetzt.

Achterschiff einer Tjalk

Achterschiff einer Tjalk

Das Ruder hängt frei am Achtersteven und hat oft einen bemalten oder geschnitzten Kopf.
Die Tjalk hat kurze, breite Seitenschwerter, die auf oder abgefiert werden konnte, je nachdem auf welchem Bug man segelte,
meist ein oder zwei Luken und vielfach ein Deckshaus. Seegehende Tjalken haben einen deutlich stärkeren Sprung als Binnentjalken und können daher sehr tief bis zur Grenze ihrer Tragfähigkeit abgeladen werden, ohne ihre Seefähigkeit zu verlieren.

Die Besegelung ist ziemlich klein; nur wenige Tjalken haben einen kleinen Besanmast und heißen dann „Besantjalk“, in Groningen heißen sie dann „Zeetjalk“, in Deutschland werden sie fälschlich oft als „Kufftjalk“ bezeichnet. Meist wird aber nur ein umlegbarer Pfahlmast gefahren, der weit vorn auf etwa ein drittel der Schiffslänge steht.
Das charakteristische Tjalksegel ist ein ziemlich niederiges Gaffelsegel mit sehr kurzer, gebogener, bei deutschen Tjalken auch gerader Gaffel und sehr langem Baum.
Gewöhnlich wird auch ein Gaffeltoppsegel gesetzt. Neben dem Steven liegt ein einholbarer Bugspriet.
An Vorsegeln gibt es Stagfock und Klüver; größere Fahrzeuge führen auch Breitfock und Jager, Binnentjalken häufig nur Stagfock und Gaffelsegel. Ab 1880 wurden in Groningen und wenig später auch in Deutschland unter Beibehaltung der alten Formen, eiserne Tjalken in großer Zahl gebaut.
Auch nach dem zweiten Weltkrieg waren noch viele Tjalken, meist eisern und inzwischen mit einem Motor ausgerüstet in Fahrt. Viele endeten als Schuten und Leichter.
Noch heute sind etliche Tjalken als Wohnschiffe oder Charterjachten in Gebrauch.

Das Wrack heute:

Das Wrack liegt nun mehr als seit 81 Jahren, in ca. 22 m Wassertiefe, auf rel. festem Grund und steht auf ebenen Kiel. Der Bug zeigt in Richtung 110°.

Das Schiff ist ca 20 – 25 m lang, hatte einen Mast, der im vorderen Drittel des Rumpfes platziert war. An Steuerbord- und Backbordseite befinden sich die Seitenschwerter. Beide Seitenschwerter und zwar das  auf der Steuerbord- und Backbordseite sind mittlerweile abgebrochen.  Das Deckshaus, mit Metallwänden, auf dem Achterschiff gelegen, ist nur ein besserer Unterstand gewesen. Man konnte, bis vor einiger Zeit, von allen Seiten in das Deckshaus hineinsehen, aber leider nagt auch hier der Zahn der Zeit unaufhörlich, sodass es mittlerweile völlig zusammen gebrochen ist. Hinter dem Ruderhaus ist der Ruderquadrant, oder das was von ihm übrig ist zusehen. Vor dem Ruderhaus beginnt gleich der Laderaum, dieser ist zum Teil mehr oder weniger mit Sediment/Sand gefüllt.

Der heute leider zusammnegebrochene Decksaufbau

Hier ist der Aufbau noch erhalten doch leider ist er im Laufe der Zeit doch zusammengebrochen

Taucht man aussen auf der Steuerbordseite weiter zum Bug, so kann man deutlich erkennen, warum die Tjalk untergegangen ist.
Am Untergang muß ein anderes Fahrzeug beteiligt gewesen sein, denn man kann im Steuerbordbug der Tjalk deutlich den Abdruck eines andern Vorsteven sehen. Die Beule im Bug der Tjalk geht von kurz unterhalb der Wasserlinie bis hoch zum Schanzkleid. Durch diesen Schaden ist das, nicht durch durchgehende Querschotten gesicherte Fahrzeug, gesunken. Auf Grund der Größe des Lecks ist zu vermuten, das der Untergang relativ schnell verlief.
Der Bewuchs ist auch in der Saison 2011 als prächtig zu bezeichnen, das ganze Wrack ist dicht an dicht mit allen möglichen Ostseeunterwasserpflanzen bewachsen, das ist auf der einen Seite sehr schön, doch auf der anderen Seite lassen sich dadurch viele Sachen nur noch sehr schwer identifizieren.
Am Heck und am Bug ist eine rel. große Auskolkung in denen meisten ein großer Schwarm von Dorschen anzutreffen ist.

Auf Grund der Lage des Wracks, ca. 10 nm nordnordöstlich von Damp und ca 4 nm querab von Falshöft, wirken sich starke östliche Winde als sehr ungemütlich aus. Genauso verhält es sich mit Winden, die aus Nord bzw. aus Nordwesten kommen. Empfehlenswert wäre, wie für alle ander Tauchgänge auch, eine aufblasbare Signalboje. Eine solche Boje sollte jeder Taucher mit sich führen, denn mit dieser Boje lassen sich kleine Taucherköpfe in den Wellen der Ostsee viel besser von der jeweiligen Tauchbootbesatzung wiederfinden, falls ein Taucher unerwartet abtreiben sollte.

Die Höhe dieses Sonarbildes stellt eine Suchbreite von 120 Meter dar. Auf der unteren Seite (Steuerbord) sind die Überreste der Tjalk auf dem Grund der Ostsee in 22 Metern Tiefe zu erkennen. Alle gescannten Objekte werfen aufgrund ihrer Größe und Form einen bestimmten Echoschatten, der wiederum Rückschlüsse auf die Höhe der Objekte zulässt. Diese Auswertungen erfolgen natürlich über die Software. Der schwarze Streifen in der Mitte entspricht der Schleppbahn unter dem Towfish, der nicht erfasst werden kann. Diese „Lücke“ wird mit der systematischen Suche auf einer zweiten Suchbahn mit abgedeckt. Trotz aller Technik ist eine Menge Erfahrung im Sonarbild-Lesen nötig, denn nicht immer sind die Ergebnisse so eindeutig wie hier.

Copyright © 2002 bei Peter Klink / Alle Rechte vorbehalten

Falls jemand etwas mehr über dieses Wrack weiß und nähere Angaben über dieses Wrack machen kann und möchte, oder vielleicht Fotos hätte, dann wären wir sehr dankbar, wenn er sein Wissen bzw. seine Fotos z.B. per E-Mail mit uns teilen würde.

Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ohne unsere vorherige schriftliche Zustimmung verstößt gegen die Bestimmungen des Urheberrechts und ist damit rechtswidrig. Dies gilt insbesondere auch für alle Verwertungsrechte wie die Vervielfältigung, die Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Auf unserer Website werden eingetragene Marken, Handelsnamen, Gebrauchsmuster und Logos verwendet. Auch wenn diese an den jeweiligen Stellen nicht als solche gekennzeichnet sind, gelten die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.
Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert