Mittelgrundwrack

Schiff in Not – Weihnachten 1914

Vormann Heinrich Schnoor

Vormann Heinrich Schnoor

Der damalige Vormann und Stationsvorsteher Heinrich Schnoor von der Rettungsstation Laboe schrieb mit eigenen Worten den Einsatzbericht zum Untergang des Mittelgrundwracks. Leider ist aus diesem Bericht der Name des Schiffes nicht zu mehr zu entnehmen, weil an dem original Papier doch schon der Zahn der Zeit stark genagt hat, aber die Position in diesem Bericht stimmt ziemlich genau mit der heutigen Lage des Wracks überein. Es war in den Morgenstunden des 24.Dezember 1914, als am Stein – Wendtorfer Strand Blaufeuer und rote Sterne bemerkt wurden. Es war das Notsignal eines auf See sich befinden Schiffes. Es waren Menschen in Seenot! Diese Sichtung wurde sofort zur Rettungsstation Laboe durchgegeben. Da zur damaligen Zeitfast keine Funkgeräte zur Verfügung standen und Telefon – oder Telegrafenleitungen auch nicht im Übermaß vorhanden waren, kann man sich bestimmt vorstellen, das geraume Zeit verging bis das Rettungsboot bemannt und endlich auslaufen konnte.

Rettungsboot 'Oberinspektor Pfeifer' auf dem Slipwagen

Rettungsboot ‚Oberinspektor Pfeifer‘ auf dem Slipwagen

Die freiwillige Mannschaft des Rettungsbootes “ Oberinspektor Pfeifer“ wurde umgehend vom Vormann alarmiert – man eilte also von Haus zu Haus der Rettungsmänner, rüttelte hier und da an Türen und Fenstern, so daß alle nach geraumer Zeit zur Stelle waren.
Das Rettungsboot lief mit folgender Mannschaft aus: Vormann Heinrich Schnoor, Motorenmann Hermann Schlapkohl, stellvertretender Vormann Jochen Jahn, und die Rettungsmänner Johs. Jahn, Wilhelm Jahn, Eduard Vöge, Artuhr Jahn und als jüngster Max Jahn, der gerade geheiratet hatte und das erste Weihnachtsfest im eigenen Heim feiern wollte.Bei sehr starkem steifen Wind lief das Rettungsboot in die Außenförde, die 28 Pferdestärken des Benzinmotors kämpften um jeden Meter den man vorankam. Das Signal konnte schon von weitem ausgemacht werden, aber es dauerte noch Stunden bis man an den Havaristen herankam, der mit Schlagseite in 2 bis 3m hohen Wellen des „Stoller Grundes“ trieb. 

Teile des Deckshauses

Teile des Deckshauses

Es war ein kleiner Frachtsegler mit Hilfsmotor, dem die Takelage zerstört und die Luken zerschlagen worden waren. Die Schiffbrüchigen wurden in letzter Minute aus dem Wasser geborgen. Sie hatten sich mit umgegurteten Korkwesten und Leinen am Wrack festgehalten, welches durch den starken Südost immer mehr in die Eckernförder Bucht hineingetrieben wurde. Das Schiff, mit dem noch immer stehenden vordersten Mast, ging kurze Zeit, nach dem der letzte Überlebende abgeborgen war, in der Nähe des Mittelgrundes unter.
Das Wetter hatte sich derart verschlechtert, das an ein Zurückfahren nach Laboe nicht zu denken war. Man nutzte den Sturm aus Südosten aus, setzte eine Sturmfock und versuchte bis zur Schlei durchzukommen. Da die Motoren der damaligen Zeit noch sehr unzuverlässig waren, war die „Oberinspektor Pfeifer“ noch zusätzlich mit Segel und Riemen ausgerüstet.
Erst am sehr späten Weihnachtsabend machte man im heutigen Schleimünde fest. Schiffbrüchige und Mannschaft wurden sofort mit dem Nötigsten versorgt. Die Angehörigen der Besatzung wurden in Laboe verständigt.
Innenansicht vom Rettungsboot 'Oberinspektor Pfeifer'Das Wetter verschlechterte sich weiter, so daß auch am nächsten Tag an eine Rückkehr nach Laboe nicht zu denken war. 
„Der Wind nahm ab und drehte auch wieder auf West und so konnten wir am 26. Dezember 1914 wieder die Heimreise antreten. Zu Hause hatten unsere Frauen uns eine große Tafel im Saal des Kurhauses aufgedeckt. Ein großer Tannenbaum war aufgestellt, so daß wir unser Weihnachtsfest, trotz einiger Verspätung, im Kreise unserer Familien noch feiern konnten“.
Mit diesen Worten schloß Hermann Schnoor seinen Bericht. Daß das Ganze sich auf einer gesamten Wegstrecke von ca. 40sm abspielte läßt erahnen, welche Dramatik und was für eine Zeit für alles benötigt wurde. Heute wäre das eine Sache von wenigen Stunden.

Das Wrack heute

Das Wrack liegt am Ausgang der Eckernförde Bucht, nahe der Untiefe „Mittelgrund“. Da diese Untiefe als grober Ansteuerungspunkt dient und der Name des Wracks unbekannt ist, liegt es nahe, daß das Wrack im Volksmund den Namen der Untiefe bekommen hat, nämlich“Mittelgrundwrack“. 
eventueller Kraftstofftank

eventueller Kraftstofftank

Das Wrack liegt auf ca. 17 m tiefem Grund und seine höchste Stelle ragt ca. 5m in die Höhe. Es hat eine  Steuerbord Schlagseite von ca.15° bis 20°. Das Hauptbaumaterial war Holz. An einigen Stellen, besonders am Achterschiff kann man erkennen, das es sich um eine Karweelbauweise handelt. Auch heute baut man die wenigen reinen Holzschiffe, die heutzutage noch gebaut werden, nach dieser Bauweise. Als erstes hat man den Eindruck auf einen großen Abenteuer Spielplatz zu sein, denn es liegen große Mengen von Hölzern aller Formen und anderen Bruchstücken des Wracks völlig durcheinander über dem Wrack. Das Heckteil ist noch rel. gut erhalten. Die Propellerwelle schaut noch ein Stück aus dem Stevenrohr heraus, der Propeller selbst fehlt allerdings. Das Ruder ist noch vorhanden und zeigt wenige Grad nach Steuerbord. Taucht man vom Heck in Richtung des Bugs, so wird das Wrack immer flacher, bis es zum Schluß einfach im Sande verläuft. Auf Bb.- und Stb. Seite steht noch ein Teil der Spannten und auf der Wegerung sieht man noch eine Konstruktion aus Metall, die evt. als Maschinenfundament gedient haben könnte.Rechtwinkelige Behälter findet man vor, diese könnten als Wassertank oder Kraftstoffbunker gedient haben oder es könnten Teile der Ladung gewesen sein, genau wie z.B. der lange Mast, der einige Meter neben dem Wrack liegt. Dieser Mast trägt eine Art von Plattform die aber für ein Krähennest viel zu groß ist. Wir nehmen daher an, das dieses Teil nicht zum Schiff sondern auch zur Ladung gehörte. Der Mittelteil des Wracks, wo sich der Laderaum befunden haben muß, besteht nur noch teilweise aus Teilen der Bordwand des Schanzkleides und einigen Spanten. Auch hier fehlt das Deck völlig. Der Bug ist im Laufe der Zeit völlig zerfallen und verschwunden, vielleicht auch deshalb weil es immer wieder Netzhaker von Schleppnetzfischern gegeben hat. An vielen Stellen hängen heute noch die Reste der Netze, die am Wrack abgerissen worden sind. Das Deck des Schiffes ist komplett nicht mehr vorhanden, so daß man auch ins Innere des Wracks schauen kann. Im Heckteil sind noch einige , Schotten, Gänge und Decksbalken erkennbar, diese sehen zwar noch kräftig aus aber bei geringer Belastung geben sie nach und werden zerstört. Der Bewuchs am Wrack ist eher als mäßig zu bezeichnen.

Seeanemonen

Seeanemonen

Es sind zwar Seenelken vorhanden, aber im Vergleich zu andern Wracks ist der Bewuchs eher dünn. Das Wrack ist bei guten Wetterlagen durchaus anfängertauglich und wenn man noch an einem schönen Sonnentag am Wrack ist und die Sonnenstrahlen bis zum Wrack vordringen können, ist die Gewähr dafür gegeben, daß man einen schönen, entspannten Ostseetauchgang erleben kann. Bei starken Ostwinden ist es allerdings nicht ratsam dort zu tauchen, weil zum ersten der Wellengang dort ziemlich ungemütlich wird, und zum zweiten eine aus der Eckernförder Bucht herauskommende Strömung die Sicht doch stark beeinträchtigen kann.

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Falls jemand etwas mehr über dieses Wrack weiß und nähere Angaben über dieses Wrack machen kann und möchte, oder vielleicht Fotos hätte, dann wären wir sehr dankbar, wenn er sein Wissen bzw. seine Fotos z.B. per E-Mail mit uns teilen würde.

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3 Antworten zu Mittelgrundwrack

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