Schnellboot S 22 oder S 170

54° 40,000 N   010° 42,000 E

 

Text und Bilder teilweise aus dem S-Boot.net, von Herrn Karl Scheuch Emden,von Herrn Reinhard Öser und dem Bubblewatcher Tauchservice

Durch einen Freund bekamen wir vor einiger Zeit einen Tipp und eine Position auf der sich das deutsche Schnellboot S 22 aus dem zweiten Weltkrieg befinden sollte.

Nun haben wir auf einer unserer Touren diese Position aufgesucht  und fanden dort ein deutsches Schnellboot, von dem wir meinen es könnte ein Typ S 18  Boot aus dem zweiten Weltkrieg sein.  Es liegt auf ca. 11m Wassertiefe und rund 3,5 sm südwestl. vom Leuchtfeuer  Keldsnor entfernt.

Der dänische Taucher Martin Høeg Larsen hat am 24.06.2015 berichtet, dass er in der Nähe des Bootes, das er vor Jahren betaucht hat, eine 37 mm-Flak sowie entsprechende Munition auf dem Boot bzw. darum herum gefunden hat. (Auch das deutet auf ein Boot des Typs S38 oder S100 hin). Herr Reinhard Öser hat allerdings nur 20 mm-Munition und MG-Munition gefunden.

Leider hat der Zahn der Zeit doch schon stark am Wrack genagt, doch man kann immer noch viele Details, z.B. wie man Stabilität trotz Leichtbauweise erreicht hat, erkennen. Vom Grund aus ragt das Wrack knapp zwei bis max. drei Meter auf.

In dem Video, welches wir erstellt haben, kann man sehen, was wir vorgefunden haben.

S 22 im Sonarbild

S 22 im Sonarbild

Das vermeintliche Boot „S 22“ gehörte zu einer Baureihe von acht Booten des Typs „S 18“. Nach Zugehörigkeit zu verschiedenen Flottillen im Kampfeinsatz in Nord- und Ostsee, in Norwegen und im Englischen Kanal wurde das Boot zuletzt der 3. S-Schul-Fltl. als Schulboot zugeteilt.

Gemäß Hümmelchen wurde es Anfang April 1945 noch bei der Flottille geführt. Beim Sammeln der Boote in der Geltinger Bucht nach der Kapitulation fehlte das Boot. Über die Abgabe einer Verlustmeldung durch die Flottille ist nichts bekannt.

Die Boote vom Typ „S 18“ hatten gemäß Hümmelchen folgende Schicksale:


Boot     Schicksal

  • S 18     + 05.05.1945 als Schnellschlepper „Herold“ bei Laaland durch alliierten Jagdbomber
  • S 19     1945 britische Kriegsbeute, 1950 als Zielschiff an Target Trials Committee, aufgebraucht
  • S 20     1945 britische Kriegsbeute, 1947/48 zum Abbruch verkauft
  • S 21     1945 USA Kriegsbeute, 18.01.46 durch OMGUS verkauft an Norwegen, Feb. 1950 aus              der Flottenliste gestrichen
  • S 22     + April 1945 als Schulboot in der Ostsee?
  • S 23     (+) 12.07.1940 in 51o 18′ N, 002o 05′ E nach Minentreffer gesprengt
  • S 24     1945 UdSSR Kriegsbeute, 05.11.45: TK 1004, 1955 aus der Flottenliste gestrichen
  • S 25     1945 britische Kriegsbeute, 1947/48 zum Abbruch verkauft
Eingang zum Maschinenraum

Eingang zum Maschinenraum


Nach dem Ausschlussverfahren (kein anderes Boot hat eine Untergangstelle, die annähernd mit den Koordinaten der Fundstelle übereinstimmen) so müsste es sich bei dem Wrack-Fund, südl. vom LF Keldsnor, evt. um das Wrack von „S 22“ handeln.

Wo das Boot ausgelaufen ist und mit welchem Auftrag es unterwegs war, entzieht sich unserer Kenntnis. Ein Kriegstagebuch wurde bei den Schul-Flottillen, die nicht im Kampf- sondern im Ausbildungseinsatz waren, nicht geführt.

Eine Verlustmeldung existiert nicht. Es gibt keinen Bericht von Überlebenden des Unterganges, daher muss von einem Totalverlust von Boot und Besatzung ausgegangen werden.

Nun wurden die Theorien und Überlegungen über den Haufen geworfen in dem sich ein ehemaliges Besatzungsmitglied meldete.

Am 17.01.2016 teilte der ehemalige Funker des Bootes „S 22“, OGefr d.R. Raymund Schulz, der letzte Überlebende des Bootes, dem Web-Master mit, dass sein Boot, welches im Winter 1944/45 eine Werftzeit in Swinemünde hinter sich hatte, nochmals Im März 1945 in der Kriegsmarinewerft in Wilhelmshaven in einem Schwimmdock eindocken musste. Anfang April 1945 soll das Boot S 22, nach Schäden durch den letzten großen Bombenangriff am 30.03.1945 auf Wilhelmshaven, in einem Hafenbecken der Jadestadt gesunken sein.

Nach nun neuen, weiteren Recherchen hat man einen Unterschied an den Torpedorohrklappen der Boote des Typs S18 / S38 und S100 anhand von Fotos festgestellt, die ein anderes Urteil zulassen.
Die Bauart der Torpedorohrklappen und die Anordnung des Ankerspills lassen nun die Deutung zu, dass es sich nicht um ein Wrack des Typs „S 18“ sondern um ein Wrack eines neueren (Typ S38 oder S100) Bootes handelt. Also könnte nun das Schicksal von S 170 geklärt werden, denn an der angegebenen Versenkungsposition von vermutl. S 170 in der Nähe von Fehmarn liegt kein Wrack. Und s 170 ist ein Wrack welches dann der Fundstelle am nächsten wäre.

hatch s19

Torpedorohrklappe mit senkrechten Scharnieren beim TYP 18

hatch

Torpedorohrklappe vom vorgefundenen Wrack

hatch S127

Torpedorohrklappe mit waagerechten Scharnieren vom Typ 100

Das Boot „S 170“, das zusammen mit „S 226“ aus Travemünde ausgelaufen war, wurde im Kriegstagebuch (KTB) der Seekriegsleitung (SKL) ab 03.05.1945 als vermisst geführt. Die RAF Squadron 193 hat am 03.04.1945 mit 12 Typhoon I B-Maschinen ein S-Boot 10 sm nördlich Fehmarns (vermutlich „S 226“) und ein S-Boot südostl. von Fehmarn (vermutlich „S 170“) mit Bordwaffen angegriffen. Die Versenkung wurde in beiden Fällen nicht gemeldet. Durch Berichte von Zeitzeugen ist von einer Untergangstelle für „S 226“ bei Lolland auszugehen.

Durch Wind und Strömung ist es nicht ungewöhnlich das S170 evt. zur Untergangsstelle südl. von Langeland getrieben ist. Das das nicht unmöglich ist beweist die in neuere Zeit ausgebrannte Frachtfähre „Lisco Gloria“ welche vom Fehmarnbelt aus innerhalb weniger Stunden bis weinige Meilen südlich vor Langeland getrieben ist. Daher könnte man davon ausgehen, oder es legt die Vermutung nahe, dass das Wrack bei Keldsnor evt. die Überreste von „S 170“ sind.

Ankerspill mit Kette

Ankerspill mit Kette


Das Wrack zeugt davon, dass das Boot vermutlich durch einen Raketenbeschuss und Bordwaffenbeschuss zum Sinken gebracht wurde. Das Vorschiff ist teilweise völlig zerstört, das Bb-Torpedorohr liegt an der Stb-Seite des Bootes, die Dieselmotoren sind stark beschädigt, um das Boot herum liegt 20mm- und MG-Munition verstreut auf dem Meeresgrund. Das Boot ist stark eingesandet, Ruderanlage und Propeller sowie das Achterschiff sind gut erhalten. Teile der 20 mm Flugabwehrkanone von S 170 ???  liegen in  etwa 20 Meter  Entfernung auf der Bb Seite des Wracks.

 

 

Zeichnung eines Bootes vom Typ S 18

Technische Daten der Boote S 18 – S 25

  • Länge     34,62 m
  • Breite     5,10 m
  • Tiefgang     1,40 m
  • Verdrängung     97,5/115 t
  • Besatzung     17 – 21 Mann
  • Bewaffnung      2 x Torpedorohre mit 53,3 cm Durchmesser
  • 1 x 20 mm Maschinenkanone
  • Antrieb              S 14 -S 17     3 x MAN L11-Dieselmotoren 1500/2050 PS
  • Antrieb              S 18 -S 25     3 x Daimler-Benz MB 501 Diesel-Motoren 1500/2000 PS
  • Geschwindigkeit     37,5 bzw. 39,5 kn

Englischer Kanal 1941
Zu Beginn des Jahres 1941 umfasste die Schnellbootwaffe die 1., 2. und 3. SFltl sowie die im Aufbau befindliche 4. SFltl:

  • 4. SFltl
  • 4. SFltl    Kptlt. Bätge
  • S 11    Lt.z.S. Lüders
  • S 22    Oblt.z.S. Priebe
  • S 24    Lt.z.S. Stöve
  • S 25    Lt.z.S. Schneider

Nach Abzug der 1., 2. und 3. SFltl verblieb nur die 4. SFltl im Westraum. Am 01.06.1941 war sie wie folgt besetzt:

  • 4. SFltl    Kptlt. Bätge
  • S 19    Oblt.z.S. Müller, K.
  • S 20    Oblt.z.S. Meyer
  • S 22    Lt.z.S. Karcher
  • S 24    Oblt.z.S. Frhr. von Mirbach
  • S 25    Oblt.z.S. Wilcke

Damit war eine Schnellbootkriegführung auf der Ebene wie bisher nicht möglich. Am 02.06.1941 ging die Flottille in See, um auf einen von der Luftwaffe gemeldeten Flugzeugträger zu operieren. Sie stieß auf ein „großes Schiff“ geleitet durch einen Zerstörer und mehrere Minensucher. S 22 feuerte zwei, S 24 einen Torpedo. Alle drei trafen. Sie wurden durch die Sloop „Kittiwake“ unter Feuer genommen. Es handelte sich um den „Tender C “ ein zum Schein-Flugzeugträger umgebautes Handelsschiff von 7924 BRT). Das Schiff musste aufgegeben werden.

Am 06. und 10.06.1941 warfen die Boote Minen, auf denen am 21.06.1941 die brit. Frachter „Gasfire“ (3001 BRT) und „Kenneth Hawksfield“ (1546 BRT) sanken. Wegen schlechten Wetters war der nächste Einsatz erst in der Nacht 16./17.06.1941 mit den Booten S 20, S 24 und S 25 möglich. Sie warfen bei Tonne 57 Minen auf denen am 23.06.1941 der brit. Frachtdampfer „Hull Trader“ (717 BRT) sank. Auf dem Rückweg stellten sie zwei holl. Fliegeroffiziere, die sich mit einem Paddelboot nach England absetzen wollten.
Schlechtes Wetter ließ den nächsten Einsatz erst am 19.06.1941 zu. S 22 und S 20 warfen auf dem Geleitweg Minen und wurden auf dem Rückweg in ein Gefecht mit 3 MGBs verwickelt.
Am 24.06.1941 verlegte die 4. SFltl nach Cherbourg. Die Einsätze vom 25. und 28.06.1941 blieben ergebnislos.

RD MTB Langeland from Ratio Diver on Vimeo.

 

 

Copyright © 2002 bei Peter Klink / Alle Rechte vorbehalten

Falls jemand etwas mehr über dieses Wrack weiß und nähere Angaben über dieses Wrack machen kann und möchte, oder vielleicht Fotos hätte, dann wären wir sehr dankbar, wenn er sein Wissen bzw. seine Fotos z.B. per E-Mail mit uns teilen würde.

Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ohne unsere vorherige schriftliche Zustimmung verstößt also gegen die Bestimmungen des Urheberrechts und ist damit rechtswidrig. Dies gilt insbesondere auch für alle Verwertungsrechte wie die Vervielfältigung, die Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Auf unserer Website werden eingetragene Marken, Handelsnamen, Gebrauchsmuster und Logos verwendet. Auch wenn diese an den jeweiligen Stellen nicht als solche gekennzeichnet sind, gelten die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.

 

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert